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Goutorbe
Henri Goutorbe ist ein kleines familiengeführtes Champagnerhaus in Aÿ im östlichen Vallée de la Marne, nur drei Kilometer entfernt von Épernay, dem prickelnden Zentrum der Champagne. Die Grand-Cru-Lagen von Aÿ und ihre Kreideböden sind weltberühmt. Goutorbe verarbeitet ausschließlich Trauben aus eigenen Weingärten, ist also ein „Récoltant Manipulant“, der das Kürzel „RM“ auf dem Etikett trägt.
Das Haus hat lange Tradition: Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gründete Émile Goutorbe eine Rebschule; sein Sohn Henri, später auch Bürgermeister von Aÿ, begann zusätzlich mit der Herstellung von eigenem Champagner. Ab 1970 kamen weitere Weingärten hinzu, René Goutorbe baute die Champagnerproduktion stark aus und modernisierte den Keller. Heute verfügt die Familie über 22 Hektar, die zu 70 Prozent mit Pinot Noir bestockt sind. Die Leitung des Unternehmens obliegt Etienne Goutorbe, sein Bruder Bertrand behält den Überblick in der Produktion.
Die Champagner von Goutorbe lagern mindestens drei Jahre auf der Hefe in den historischen Kreidekellern des Weinguts; ihr Stil ist vollmundig, körperreich und elegant. Durch ihre immense Zugänglichkeit zeichnet sich die feinperlige Cuvée Prestige aus, ein absoluter Preis-Leistungs-Tipp.
Herrlich komplex präsentiert sich die Cuvée Millésime 2014 – nach acht Jahren Flaschenreife verbindet sie Finesse und Saftigkeit auf unvergleichliche Art. Dieser streng limitierte Jahrgangschampagner besteht aus 70 Prozent Pinot Noir und 30 Prozent Chardonnay von den Grand-Cru-Lagen rund um Aÿ. Von Goutorbes anspruchsvollem „Special Club“ begeistert derzeit der Jahrgang 2015.
Etienne Goutorbe im Gespräch mit Daniela Dejnega
Lieber Etienne, das Weingut Ihrer Familie befindet sich in Aÿ im Vallée de la Marne. Was zeichnet diese Gegend aus? Was prägt das Terroir von Aÿ?
Aÿ ist eines der geschichtsträchtigsten und renommiertesten Dörfer der Champagne und liegt im Herzen des Vallée de la Marne. Unsere Gegend ist bekannt für ihr außergewöhnliches Terroir: Die Sonneneinstrahlung an den Hängen ist perfekt, der Untergrund ist reich an Kreide und Kalkstein und das Klima sorgt für ein perfektes Gleichgewicht zwischen Reife und Frische. Aÿ ist als Grand-Cru-Dorf klassifiziert und seit Jahrhunderten für die Qualität seines Pinot Noir bekannt, der sowohl Kraft als auch Finesse zum Ausdruck bringt. Bereits in der Renaissance wird Aÿ in der französischen Literatur und in königlichen Archiven häufig als Quelle einiger der besten Weine erwähnt. Unser Ort ist wirklich ein Eckpfeiler der Identität der Region.
Für Ihre Champagner verwenden Sie ausschließlich Trauben von eigenen Weingärten. Wie viele Hektar sind das und wie ist die Aufteilung der Rebsorten?
Wir bewirtschaften insgesamt 22 Hektar Rebfläche. Etwa zwei Drittel unserer Weinberge befinden sich in Aÿ und in der umliegenden Region, die als Grande Vallée de la Marne bekannt ist – einem historischen Kerngebiet des Pinot Noir. Neben Aÿ besitzen wir auch Parzellen in Gyé-sur-Seine an der Côte des Bar, im Premier-Cru-Dorf Bisseuil und in Sézanne, wo wir Chardonnay anbauen. Diese geografische Vielfalt ermöglicht es uns, von unterschiedlichen Böden und Mikroklimata zu profitieren und ausgewogene, ausdrucksstarke Champagner zu keltern. Da die meisten unserer Weinberge in Gebieten liegen, in denen Pinot Noir vorherrscht, spielt diese Sorte eine zentrale Rolle für die Identität unserer Weine.
Pinot Noir ist also die Hauptsorte. Wodurch zeichnet sie sich aus und was bringt sie in eine Cuvée ein?
Pinot Noir ist das Herzstück unserer Identität. Er macht etwa zwei Drittel in der Zusammensetzung der meisten unserer Cuvées aus. Pinot Noir verleiht den Weinen Struktur, Tiefe und eine unverwechselbare Intensität. Er sorgt für Körper und Kraft sowie für eine beeindruckende Lagerfähigkeit, die für unseren Stil unerlässlich ist. Er gibt den Cuvées ein starkes Fundament, sodass sie sich im Laufe der Zeit wunderbar entwickeln und mit zunehmender Reife an Komplexität und Eleganz gewinnen. Während Pinot Noir den Kern unserer Cuvées bildet, trägt Chardonnay zu Frische, Präzision und Finesse bei, was besonders während des Reifungsprozesses wertvoll ist. Die Harmonie zwischen diesen beiden Rebsorten ermöglicht es uns, Champagner mit Tiefe und Langlebigkeit zu kreieren.
Die Assemblage, das Verschneiden der Grundweine, ist ein entscheidender Schritt bei der Herstellung von Champagner. Wie gehen Sie dabei vor und was ist Ihr Ziel bei der Assemblage?
Die Assemblage ist in der Tat ein entscheidender Schritt. Für die Cuvées „Tradition“ und „Prestige“ verwenden wir in der Regel ein Verhältnis von etwa zwei Dritteln Pinot Noir zu einem Drittel Chardonnay, ergänzt durch etwa 30 Prozent Reserveweine. Dieses Verhältnis gewährleistet Jahr für Jahr Konsistenz, Komplexität und einen unverwechselbaren Ausdruck unseres Terroirs. Wir vinifizieren jede Parzelle separat in kleinen Fässern, um die einzigartigen Eigenschaften jedes Weinbergs zu bewahren. Jährlich im Februar kommen René, Bertrand und ich zusammen, um die Klarheit und Qualität der Stillweine aus den verschiedenen Parzellen sorgfältig zu bewerten und über die endgültigen Cuvées zu entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt entscheiden wir auch, ob wir die Cuvée „Special Club“ produzieren, die besonders hohen Standards unterliegt und das Beste unseres Sortiments repräsentiert. Unser Ziel bei der Assemblage ist es, Champagner zu kreieren, die einen einheitlichen Stil haben, aber dennoch komplex und ausdrucksstark sind und sowohl die Tradition unserer Familie als auch die einzigartigen Eigenschaften unserer Weinberge widerspiegeln.
Von der Top-Cuvée „Special Club“ ist gerade der 2015er auf den Markt gekommen. Was zeichnet diesen Jahrgang aus?
Nach einem milden Winter und einem kühlen Frühling brachte der Sommer 2015 warme und trockene Bedingungen, die es den Trauben ermöglichten, langsam und gleichmäßig zu reifen und dabei ihre Frische und ihr aromatisches Potenzial zu bewahren. Dieses ideale Klima führte zu sehr gesunden Trauben mit ausgezeichneter Konzentration und Ausgewogenheit bei der Ernte. Der Grand Cru „SpeciaClub“ 2015 verkörpert wahrhaftig die Qualität und Präzision dieses außergewöhnlichen Jahres und wird äußerst elegant reifen.
Und wofür steht die Cuvée „Prestige“?
Unsere Cuvée „Prestige“ ist ein besonderer Ausdruck unserer besten Weinberge und besteht hauptsächlich aus Premier-Cru-Trauben aus Aÿ, Mareuil- sur-Aÿ und Bisseuil. Sie reift mindestens vier Jahre lang sorgfältig in unseren Kellern, wodurch sie eine größere Tiefe und Komplexität entwickelt. Im Vergleich zur „Tradition“ ist die Cuvée „Prestige“ kraftvoller und ausdrucksstärker. Sie offenbart die Fülle und Intensität der Terroirs, aus denen sie stammt. Es handelt sich um einen sehr vielseitigen Champagner, der sich als Begleiter einer Vielzahl von Anlässen und Speisen eignet.
Wie lange lagern Ihre Champagner auf der Hefe? Bitte erklären Sie auch kurz, was während dieser Zeit in der Flasche passiert.
Unsere Champagner reifen je nach Cuvée zwischen drei und zehn Jahre – oder mehr. Diese lange Reifezeit ist unerlässlich, um jene Komplexität, Textur und aromatische Tiefe zu entwickeln, die unsere Weine auszeichnen. Während dieser Phase bleibt der Wein in Kontakt mit der Hefe – mit den nach der Gärung zurückbleibenden Hefezellen. Der einsetzende Autolyse-Prozess setzt nach und nach Verbindungen frei, die die Cremigkeit des Weins verbessern, für feine Perlen sorgen und reichhaltige, toastige und briocheartige Aromen entwickeln. Außerdem trägt er zur Stabilisierung des Weins und zur Verbesserung seines Alterungspotenzials bei. Die Wechselwirkung zwischen dem Wein und der Hefe verleiht dem Champagner seine charakteristische Eleganz, weshalb die Reifung auf der Hefe für hochwertige Schaumweine essenziell ist.
Wohin geht der Trend in der Champagne? Welche neuen Projekte gibt es in ihrem Haus?
In Frankreich beobachten wir eine Veränderung im Verbraucherverhalten: Die Menschen kaufen weniger Champagner, entscheiden sich jedoch für hochwertigere Cuvées wie Prestige- und Réserve-Cuvées oder Jahrgangsweine. Der Trend „weniger, aber besser“ spiegelt den Wunsch nach ausdrucksstärkeren Weinen wider. Gleichzeitig wächst das Interesse an Nachhaltigkeit. Die Verbraucher:innen interessieren sich zunehmend für umweltbewusste Produzent:innen, und die entsprechenden Zertifizierungen gewinnen sowohl in Frankreich als auch im Ausland an Bedeutung. Während sich traditionelle Märkte wie Frankreich und die USA stabilisieren, ergeben sich neue Chancen in Regionen wie Asien und Lateinamerika, wo das Interesse an Champagner wächst. Wir sind bestrebt, uns diesen sich wandelnden Trends anzupassen, indem wir sowohl Qualität als auch Nachhaltigkeit anstreben: Wir sind HVE-zertifiziert (High Environmental Value) und wir führen gerade eine Software für Rückverfolgbarkeit und Workflow-Management ein. Das wird unsere Abläufe rationalisieren, die Transparenz verbessern und unsere nachhaltige Praxis unterstützen.
Haben Sie ein besonderes persönliches Steckenpferd?
Über die Weinberge hinaus habe ich eine große Leidenschaft für Musik und Kunst. Im Lauf der Jahre habe ich an mehreren künstlerischen Projekten mitgewirkt, darunter auch einige kleine Rollen in Kinofilmen. Aber vor allem die Musik spielt eine zentrale Rolle in meiner Sichtweise auf Kreativität und Ausdruck. Tatsächlich gibt es eine starke Verbindung zwischen Musik und Weinherstellung. Genau wie beim Komponieren eines Musikstücks geht es auch bei der Herstellung eines Weines um Harmonie, Rhythmus und Emotionen. Jede Cuvée ist wie eine Komposition – sie besteht aus verschiedenen Elementen, hat Ausgewogenheit und Struktur, lässt aber auch Raum für Seele und Spontaneität. Diese „musikalische Denkweise“ beeinflusst meine Herangehensweise als Winzer. Sie hält mich offen für Inspiration, sensibel für Nuancen und stets bestrebt, etwas Bedeutungsvolles zu schaffen, das Menschen bewegt – genau wie ein großartiges Musikstück oder eine großartige Flasche Champagner.
Vielen Dank für das Gespräch!
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